Umsatzsteuerliche Organschaft: Keine Steuerbarkeit von Innenumsätzen

Sind so genannte Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe (beziehungsweise umsatzsteuerlichen Organschaft) umsatzsteuerbar? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesfinanzhofs entschieden, dass Innenumsätze zwischen Organträgern und Organgesellschaften im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht umsatzsteuerbar sind. Damit hat der EuGH bestätigt, dass die deutsche Regelung nicht gegen Unionsrecht verstößt. Darüber hinaus war zu klären, ob die Antwort auf diese Frage anders ausfällt, wenn der Empfänger der Lieferung oder Dienstleistung nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Hintergrund

Nach § 2 Absatz 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft führt also zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem Steuerpflichtigen. Demzufolge werden Leistungsbeziehungen zwischen diesen Unternehmen nicht mehr besteuert.

Der Organträger ist Steuerschuldner auch für die Umsätze, die andere eingegliederte Organgesellschaften gegenüber Dritten ausführen.

Urteil des EuGHs

Der EuGH vertritt die Auffassung, dass zur Beantwortung der obenstehenden Fragen die Zugehörigkeit der Mitglieder zu derselben Mehrwertsteuergruppe sowie die besonderen Bestimmungen des Artikel 4 Absatz 4 Unterabschnitt 2 der 6. EG-Richtlinie zu berücksichtigen sind. Diese Vorschrift räumt jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit ein, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.

Sofern ein Mitgliedstaat von der Regelung des Artikel 4 Absatz 4 Unterabschnitt 2 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch macht, ist nach Ansicht des EuGHs zwingend erforderlich, dass die nationale Umsetzung einen einzigen Steuerpflichtigen vorsieht und dass der Gruppe lediglich eine Mehrwertsteuernummer zugeteilt wird. Infolgedessen könne ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe zugehörig ist, nicht als eigenständiger Steuerpflichtiger betrachtet werden, der von dieser Gruppe getrennt ist.

In Bezug auf die Frage, ob zu berücksichtigen ist, dass der Leistungsempfänger die Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen darf, weil in einem solchen Fall die Gefahr von Steuerverlusten bestünde, wies der EuGH auf Folgendes hin: Im Falle einer Mehrwertsteuergruppe stehe das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer als Vorsteuer nicht den einzelnen Gruppenmitgliedern, sondern der Gruppe selbst zu. Die "Gefahr von Steuerverlusten" resultiere in erster Linie aus der Anwendung des in der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und seiner Vorschriften über den Abzug der geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.

Nach alledem unterliegt das Entgelt für erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und derselben Mehrwertsteuergruppe angehören, selbst dann nicht der Mehrwertsteuer, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf.

Die vorliegende Entscheidung beendet eine langjährige Phase der Rechtsunsicherheit. Es ist festzuhalten, dass Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb eines Organkreises auch dann nicht steuerbare Innenumsätze sind, wenn gleichzeitig steuerfreie Ausgangsumsätze vorliegen.

Praxisfolgen

Materiell-rechtlich bringt das Urteil keine Änderung mit sich, da die Innenleistungen bereits in der Vergangenheit vollumfänglich als nicht steuerbar angesehen wurden. Für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind – darunter fallen beispielsweise Bauträger, Banken und Versicherungen, soziale Einrichtungen (Krankenhäuser, Altenheime usw.) bedeutet dies, dass eine Kostensteigerung durch eine Belastung mit Umsatzsteuer ausbleibt.

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Ausgabe 10/2024