Die nachrangige Berücksichtigung von MVZ ohne mehrheitliche ärztliche Geschäftsanteile im Zulassungsverfahren
§ 103 Abs. 4c Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) lautet: „Absatz 4 gilt mit der Maßgabe, dass bei der Auswahl des Praxisnachfolgers ein medizinisches Versorgungszentrum, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem medizinischen Versorgungszentrum als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen ist.“
Das Bayerische Landessozialgericht hat in seinem Urteil vom 14. September 2022 (Az.: L 12 KA 35/21) entschieden, dass die Vorschrift des § 103 Abs. 4c Satz 3 SGB V im Rahmen der Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine Zulassung bei partieller Entsperrung eines Planungsbereichs zugunsten eines Quotensitzes entsprechend anzuwenden ist.
Die Beteiligten stritten um die Berücksichtigung der Klägerin im Rahmen einer Auswahlentscheidung nach partieller Entsperrung des Planungsbereichs im Rahmen der Quotenregelung. Die Klägerin war die Trägerin eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). Alleinige Gesellschafterin des MVZ war eine GmbH.
§ 103 Abs. 4c Satz 3 SGB V stellt eine „Diskriminierungsregelung“ für kapitalisierte MVZ dar und verfolgt den Schutz der Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit. Es soll verhindert werden, dass im Nachbesetzungsverfahren Ärzte, die sich auf einem frei werdenden Vertragsarztsitz niederlassen wollen, durch MVZ verdrängt werden, deren Geschäftsanteile und Stimmrechte nicht mehrheitlich in der Hand von Vertragsärzten liegen, die in dem MVZ tätig sind. Hintergrund ist die besonders in kapitalintensiven Bereichen der Medizin zu beobachtende Übernahme von Vertragsarztsitzen durch Kapitalgesellschaften.
Das Landessozialgericht entschied, dass die Vorschrift verfassungsgemäß ist. Die gesetzliche Regelung sei zunächst auf Auswahlverfahren im Rahmen eines Besetzungsverfahrens einer Praxisnachfolge nach § 103 Abs. 4 SGB V anwendbar und per se nicht im Rahmen einer Auswahlentscheidung aufgrund der Entsperrung nach § 26 BedPl-RL, da die Regelung des Nachrangprinzips unter den dort in Absatz 4 geltenden Kriterien nicht aufgeführt sei. Die darin geregelte Nachrangigkeit kann denklogisch nur eingreifen, wenn unter gleichwertigen Bewerbern zwischen einem freiberuflichen Bewerber und einem mehrheitlich von Kapitalinvestoren geführten MVZ eine Auswahlentscheidung zu treffen ist. Andernfalls könnte sich ein MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Vertragsärzten liegt, nicht neben anderen freiberuflichen Ärzten oder MVZ bewerben, weil es von vornherein – unabhängig von Erfahrung und Qualifikation des jeweiligen Bewerbers – aus der Auswahlentscheidung herausfallen würde.
Das Landessozialgericht führte aus, dass „nachrangig berücksichtigen“ gerade keine Einschränkung des Auswahlermessens der Zulassungsgremien insoweit bedeute, als die von § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V erfassten MVZ von vornherein nicht in die Auswahlentscheidung mit einbezogen werden dürfen. Das Gesetz sehe keinen grundsätzlichen Ausschluss von nicht-vertragsärztlich geführten MVZ vor, sondern stelle die Nachrangigkeit nur als ein Kriterium unter den gleichrangig zu wertenden Auswahlkriterien, nicht aber als eine Ausschlussregelung, dar.
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Informationen für Ärzte und Heilberufler Ausgabe Februar 2024